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Physik und Wirtschaftlichkeit der Stromerzeugung auf Segelyachten

Aktualisiert: 22. Sept.

Einen ausgezeichneten Artikel zum Thema, wie viel Strom eine durchschnittliche Yacht wirklich benötigt, hat Europas führender nautischer Pannendienst verfasst:

https://www.sea-help.eu/ratgeber/strom-stromverbrauch-yacht-boot/


Dazu einige Anmerkungen...
...zum physikalischen Hintergrund:

Was man unter Freizeitseglern oft beobachten kann ist, dass Ampere und Amperestunden bzw. Watt und Wattstunden vermischt verwendet werden, wodurch der Sinn entstellt wird. Die Angabe von Ampere (auf Basis einer bestimmten Spannung eines Bordnetzes) bezieht sich auf die Leistung (Ampere x Spannung = elektrische Leistung in Watt), z.B. einer Lampe, eines Kühlschranks etc. Wird diese Leistung über Zeit abgerufen, werden diese Ampere (bzw. Watt) mit der Nutzungsdauer multipliziert (Ampere x Stunden = Ah). Auf Basis der Bordspannung (z.B. 12 V) ergibt sich der Energiebedarf in Wattstunden: Ah x V = Wh. Batteriekapazitäten werden in Ah oder Wh angegeben, weshalb es entscheidend ist, die korrekten Einheiten zu verwenden. Eine Blei-Säure Batterie mit 100 Ah Kapazität und 12 V Spannung hat somit eine theoretische Kapazität von 1,2 kWh (100Ah x 12V = 1200 Wh), von der jedoch bei Bleibatterien im Gegensatz zu Lithium-Batterien nur 50 % nutzbar sind. Wenn daher ein Kühlschrank im Durchschnitt 6 A Leistung aus einem 12 V-Bordnetz zieht, benötigt er 72 W Leistung, was über 24 h einen Energiebedarf von 72 x 24 = 1728 Wh, etwa 1,7 kWh bedeutet und der tatsächlich nutzbaren Kapazität von rund drei Blei-Säure Batterien entspricht.

Wenn man dann noch weiss, dass diese technisch überholte Batteriegeneration auf keinen Fall tiefentladen werden darf, weil sie ansonsten mit Sicherheit kaputt geht wird klar, dass z.B. die meisten Charteryachten mit dieser alten Batterietechnik ein Problem haben.




...zur Stromerzeugung durch Lichtmaschinen

Wie im Artikel richtig erklärt, leisten klassische Lichtmaschinen zwischen 50 und 70 Ampere bei üblicherweise 12 V-Bordspannung. Das bedeutet durchschnittlich rund 600 Watt Leistung, weshalb allein für die Erhaltung des Kühlschranks der Motor täglich 3 Stunden laufen müsste. Nur wenige Chartercrews sind sich dessen bewusst oder wollen diesen Aufwand betreiben, zumal das in einer einsamen Bucht bei Windstille ein eher fragwürdiges Vergnügen ist. Noch absurder werden diese Größenverhältnisse wenn man bedenkt, dass zum Betrieb einer 600 W-Lichtmaschine ein Dieselmotor mit 30 - 100 PS (22 - 73 kW) Leistung betrieben wird und die Dieselkosten für die dafür nötigen 3 h x 2 l/Verbrauch pro Stunde x 2,00 EUR/l täglich rund 12 EUR betragen.


Bei einer Charteryacht ergibt das mit 20 Wochen Nutzungsdauer jährlich wenigstens 300 unnötige Betriebsstunden mehr. Über 10 Jahre Nutzung somit 3000 h Motorstunden nur für die Stromproduktion und wenigstens 12 000 EUR Treibstoffkosten.




...zur alternativen Verwendung kleiner Solarpaneele auf Textil-Biminis

Die häufigste "Lösung" der Strommisere auf Segelyachten ist in Form kleiner Solarpaneele zu beobachten, die auf vorhandene Textil-Biminis angebracht werden. Dabei geht die Öffnungs- und Schliessfunktion des Biminis verloren und es werden damit durchschnittlich 100-400 Watt Peakleistung erzeugt. Größere Mengen sind u.a. deshalb nicht erzielbar, weil Textilbiminis das entstehende Gewichtsproblem nicht bewältigen. Selbst bei Erreichung von 400 Wp ist an einem Sonnentag im Idealfall nur die Produktion der ca. 1,7 kWh möglich, die ein Kühlschrank im Vollbetrieb benötigt. Deutlich zu wenig für den Strombedarf einer Yacht.


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